Von Dr. Karl-Ludwig von Wendt
"Stabiler Markt trotz massiver Medienkonkurrenz" lautete das Fazit des Börsenvereins anlässlich der Präsentation der Buchmarkt-Zahlen für 2015 am Montag. Belegt wurde dies mit einem Zehnjahresvergleich der Umsätze, der den Umsatzrückgang von 1,4% gegenüber 2014 relativierte. Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis ließ sich sogar zu der Behauptung hinreißen: "Reine Onlinehändler wie Amazon stehen heute da, wo die Buchbranche vor zehn Jahren gestanden hat." Schaut man genauer hin, muss man sich allerdings fragen, ob diese Selbstberuhigung der Branche wirklich angebracht ist.
Hier ein paar Fakten, die sich aus den Zahlen des Börsenvereins herleiten lassen:
- Der Gesamtumsatz (nominal) der Branche ging seit 2010 um 5,6% zurück.
- Der Umsatz (nominal) im Sortimentsbuchhandel sank im gleichen Zeitraum um mehr als 10%.
- Rechnet man die Inflationsrate mit ein, die laut statistischem Bundesamt in diesem Zeitraum insgesamt 7,1% betrug, ergibt sich eine reale Schrumpfung des Buchmarkts seit 2010 von fast 12%, während der stationäre Buchhandel sogar mehr als 16% Realumsatz verlor.
- Der Durchschnittspreis für E-Books fiel im ersten Quartal 2016 gegenüber dem Vorjahr um fast 6%. Die Preisschere zwischen gedrucktem und digitalem Lesen öffnet sich also weiter.
Amazon erzielte übrigens in den letzten zehn Jahren ein Umsatzwachstum von 213% weltweit und 168% in Deutschland und machte letztes Jahr hierzulande mehr Umsatz als die gesamte Buchbranche. Auf den Umsatz bezogen hat Herr Skipis also (leider) recht, wenn er sagt, dass Amazon heute da steht, wo die Buchbranche 2005 war (und heute wieder ist). Auch wenn der größte Teil dieses Umsatzes nicht mit Büchern erzielt wurde und exakte Zahlen schwierig zu ermitteln sind, dürfte auch das Amazon-Buchgeschäft in Deutschland gegen den Branchentrend stark gewachsen sein, denn erst 2011 führte Amazon in Deutschland den Kindle und die Selfpublishing-Plattform Kindle Direct Publishing ein.
Es geht mir nicht darum, die Buchbranche schlechtzureden. Vieles ist in den letzten Jahren erreicht und richtig gemacht worden. Doch der stationäre Buchhandel schrumpft, und das ist aus meiner Sicht als Leser, Autor und Unternehmer schlimm. Denn der stationäre, insbesondere der unabhängige Buchhandel ist eine tragende Säule der literarischen Vielfalt in Deutschland. Ihn zu schützen ist der Sinn des Buchpreisbindungsgesetzes und die vornehmste Aufgabe des Börsenvereins.
Papego wird diese Entwicklung nicht aufhalten oder umkehren können, aber vielleicht können wir einen kleinen Beitrag zur Stabilisierung leisten, indem wir das gedruckte Buch stärken. Im aktuellen Börsenblatt schreibt Sabine Cronau: "Trotzdem steht der Buchmarkt unter Umsatzdruck. Dafür sorgen auch die sinkenden Durchschnittspreise der (verkauften) Printbücher und E-Books." Sie empfiehlt: "Es geht um Haptik und Optik, um Qualität und Originalität, kurzum: darum, [gedruckte] Bücher so begehrenswert wie möglich zu machen." Dem kann ich mich nur anschließen.
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